Ich bin kein Roboter.

• Markiere das Kästchen.
  • Markiere alle Felder mit Straßenschildern.
    • Markiere alle Felder mit Autos.
      • Wähle alle Kacheln mit Brücken aus.
        • Wähle alle Kacheln mit Fußgängerüberwegen aus.
          • Fahre fort.
            • Vielen Dank für Dein Feedback!
              • Jetzt fahr zur Hölle!

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Der kleine Ventilator,
klobiger Kopf,
dreht langsam hin und her,
machts noch schlimmer,
so schwül hier,
spür die schwere Luft,
wenn ich den Arm bewege.
Geräusche aus der Küche,
jemand schenkt sich Glas Wasser ein.
Innenseite meines Mundes kalkig,
durchs offene Fenster hör ich langsame Schritte,
durchschneiden die ruhige Geräuschkulisse der Außenwelt.
Hör genau hin,
hör die Rotoren der kleinen MAV-Drohnen,
schwirren weit über mir,
wie allwissende Bienenstöcke.
Paar Autos kriechen die Straße hinunter,
ihre Motoren kämpfen,
niemand,
nicht mal die Maschinen,
wollen sich bewegen.
Der Kühler an meinem Computer surrt,
hört sich verzweifelt an,
traurig,
arbeitet hart,
um die CPU runterzukühlen,
während ich durch endlose Auswahlmenüs auf dem Bildschirm klicke.
Frequenzen des schwachen Drohnensurrens draußen kompatibel mit dem Kühlergeräusch,
irgendwie unheimlich.
Rhythmus des Ventilators aufm Schreibtisch trägt das Surren in meinen Hinterkopf,
spür ein unbehagliches Kribbeln.

Nächstes Bild auf dem Monitor vor mir,
überfüllter Bahnhof,
kann die Schilder im Hintergrund lesen,
verschwommen,
in Zeichen geschrieben,
die ich noch nie gesehen hab.
Klicke und zieh den Cursor diagonal,
ziehe einen transparenten grünen Rahmen über die Gesichter der Personen auf dem Bild.
Kurze Verzögerung,
kleine weiße Kreuze kennzeichnen Position der Augen,
des Mundes.

So sieht also ein Mensch aus.

Beende den Task,
heller Glockenton zur Belohnung.
Mein 4-Cent-Lohn hängt in der Schwebe.
Nicht so wichtig.
Meine Aufmerksamkeit sofort auf dem Balken mit dem Fortschritt,
oberer Bildschirmrand,
direkt neben dem Logo,
setze mir als persönliches Ziel 500 HITs,
Human Intelligence Tasks,
verfickt,
mein nächster Meilenstein,
fast am Ziel,
bedeutet,
dass ich mich für besser bezahlte HITs qualifiziere,
hoffentlich.
Scrolle durch die endlose Liste an HITs auf dem Monitor,
meisten von ihnen mit einem kleinen Schloss,
Website sagt,
ich muss mich erstmal dafür qualifizieren,
irgendein Hilfelink,
meisten HITs sind kleine Beschriftungstasks,
dauern dreißig Sekunden,
bringen vier Cent jeweils,
wenn ich hochrechne,
komm ich auf fünf Dollar pro Stunde.

Nicht schlecht für einen bequemen Nebenverdienst,
den du bequem von zu Hause aus ausüben kannst.

Weiß ganz genau,
dass das nicht in dreißig Sekunden zu schaffen ist.
Für mich sowieso kein Nebenverdienst.

Wechsle die Registerkarte,
schaue mir die mTurk Suite Extension an,
raffiniertes Programm,
das irgendwelche Turker geschrieben haben,
durchforstet automatisch den Marktplatz,
sucht brauchbare HITs raus,
sogar personalisierte Filter,
den Tipp hab ich von nem Typen aus dem Forum bekommen,
bevors vorn paar Wochen abgeschaltet wurde.

Wartungsarbeiten.
Die neue und aktualisierte Website wird in den nächsten Tagen wieder verfügbar sein.

Dass ich nicht lache.
Bevor ich das Programm benutzt hab,
hab ich viel mehr Zeit damit verbracht,
brauchbare HITs zu suchen,
als HITs zu bearbeiten,
durch den Marktplatz zu scrollen,
der schneller aktualisierte,
als ich klicken konnte.
Hat meine Produktivität wirklich gesteigert.

Optimiere deinen Workflow!
Wir haben alle die gleichen vierundzwanzig Stunden.
Es ist alles nur Zeitmanagement.

Hat mir ein Typ ausm Forum beigebracht.
Sagte,
er habe denselben Rat von seinem Mentor,
erfolgreicher amerikanischer Geschäftsmann,
wow!

Finde tatsächlich einen Beschriftungstask,
der mehr Geld einbringt,
lässt mir sogar eine ganze Minute,
sie zu erledigen.
Präzision meines Cursors hat sich verbessert,
seit ich diesen Scheiß mache,
hab mir sogar ein Trainingsprogramm runtergeladen,
mit dem ich Maus und Tastatur trainiert hab,
wird vor allem von Gamern benutzt,
die ihre Zielgenauigkeit verbessern wollen,
was auch immer,
war die Investition auf jeden Fall wert.

Neuen Task geladen,
scheiß Internetverbindung,
immer die großen Dateien,
Foto einer komplizierten,
mehrspurigen Kreuzung,
das Programm schickt mir ne Nachricht,
gibtn neuen HIT mit hoher Prio,
muss ich sofort annehmen,
sonst ist er weg.

Du hast das Steuer in der eigenen Hand.
Mach es auf deine Weise.
Bestimme deine Arbeitszeiten selbst,
hör deine eigene Musik,
und werde dafür bezahlt.

Das Laden des Tasks hat mir schon zehn Sekunden vom Timer gestohlen,
wird ne knappe Sache,
mach schon!

Höre,
wie jemand in der Küche herumwühlt,
wahrscheinlich meine Mutter.
Arzt sagt,
sie soll sich ausruhen.
Tut sie selten.
Arzt sagt auch,
sie ist nächstes Jahr um diese Zeit tot.
Das war vor vier Jahren.
Was weiß der schon?
Sie sagen,
künstliche Intelligenz revolutioniert die Medizin,
ist in der Lage,
MRT-Scans und Röntgenbilder zu analysieren,
Krankengeschichte und persönliche Gesundheitsdaten zu überprüfen,
von Smartwatches oder Zeug,
das jeder trägt,
wird Dinge über dich wissen,
die ein gewöhnlicher Diagnostiker oder Laborant oder wer auch immer nie wissen kann,
wird jede Krankheit genauer,
schneller diagnostizieren,
als ein Mensch je könnte,
findet sogar Krankheiten,
von denen wir nie was wussten,
hilft,
Viren und Erreger zu verstehen,
Muster zu erkennen,
Lösungen,
an die niemand je gedacht hätte,
hilft,
das Unheilbare zu heilen.

Hör die Stimme meines Bruders,
dröhnt durch die enge Küche,
läuft in seinen schweren Stiefeln herum,
stellt Geschirr in die Spüle.
Hör meine Mutter auf dem Stuhl rascheln,
großer,
gepolsterter Stuhl,
abgenutzter Bezug mit gelben Blumen,
Geräusch ihres blauen Nachthemds gegen die Polsterung,
versucht anscheinend,
sich im Stuhl aufzurichten,
sagt meinem Bruder,
er soll sich keine Mühe machen,
kümmert sich später ums Geschirr.
Kurzer Moment der Stille,
höre das dumpfe Schnappen eines Geschirrtuchs,
das ausgeschüttelt wird,
Masse meines Bruders sinkt auf die alte Couch,
Tür Spalt offen,
kann seine schwarzen Stiefel sehen,
meine Mutter klingt glücklich,
unterhalten sich ne Weile,
mein Bruder steht auf,
will gehen.

“Bleib doch zum Frühstück!”

Greift die Hand meines Bruders.

“Würde ich gern tun,
aber kann nicht,
muss mich um irgendwas für Theo kümmern,
einer seiner Leute ist nicht da diese Woche,
Quarantäne,
glaube ich,
hat mich gebeten,
einzuspringen.”

“Du hast eine Arbeit bei Theo?
Mein kleiner Businessman.”

Sie übertreibt die letzte Silbe,
täuscht amerikanischen Akzent vor,
lächelt,
küsst seine Hand.
Ich kanns nicht sehen,
Türrahmen dazwischen,
kann hören,
wie ihre Lippen auf seinen schwieligen Handknöcheln schmatzen.

“Bin stolz auf dich!”

Kribbeln über meiner Wirbelsäule,
entleert sich in meinem Hinterkopf.

“Hatte Glück,
um ehrlich zu sein.”

Beugt sich hinunter,
die Schnürsenkel an seinen Stiefeln festzuziehen.

“Seit diese bescheuerten Drohnen überall herumschwirren,
gibts nicht mehr so viel Arbeit.
Die Jungs habens nicht leicht da draußen.
Was solls,
wir schaffen das schon.”

Er befreit seine Hand aus ihrer Umklammerung,
will endlich los,
ein paar Schritte,
aus meinem Blickfeld verschwunden.

Neue mTurk-Benachrichtigung,
meine Aufmerksamkeit auf dem Monitor,
Marktplatz seitenweise mit neuen HITs gefüllt,
aber nur wenige für Einsteiger,
Beschriftungstasks die meisten,
entscheide mich für die erste,
die mir empfohlen wird,
ein ganzer Satz an HITs,
dreißig Stück,
jeder bringt vier Cent,
Sonne beginnt,
ins Zimmer zu kriechen,
Luft heizt auf,
schalte den Ventilator ein,
wird ne Weile dauern.
Höre Stiefelstapfen meines Bruders im Flur,
Fliegengitter klappert,
als ers aufstößt,
Haus verlässt.

Mein Bruder besucht meine Mutter jeden Tag,
ist jünger als ich,
lebt mit paar Freunden in einer eigenen Wohnung,
irgendwo in der Stadt,
suchen sich immer wieder irgendwo Arbeit,
manchmal nur ein Tag,
eine Woche,
wenn sie Glück haben.
Kann mir nicht vorstellen,
wie das ist,
muss manchmal an meinen Vater denken,
hätte er nie durchgehen lassen,
von Stolz ganz zu schweigen,
hat fast dreißig Jahre in derselben Produktion gearbeitet,
ordentlicher Job in ordentlicher Firma,
hat sich fast zu Tode geschuftet,
ich spür trotzdem eine seltsame Nostalgie,
all die hochentwickelten Maschinen,
die nach und nach in die Fabrik kamen,
für mich war das wie ein Rückschritt,
Arbeit wurde leichter,
kann ich nicht widersprechen,
aber es waren trotzdem gute Jobs,
Kumpel einer nach dem anderen den Job verloren,
irgendso ne surrende Maschine,
bis auch mein Vater an der Reihe war,
ist nie drüber weggekommen,
sagt meine Mutter.

Großer Tag heute,
die ganze Nacht gearbeitet,
endlich 2000 HITs,
Ziel erreicht,
dachte schon,
das klappt nie,
kam gegen zwei Uhr nachts Riesenstapel fehlerhafter HITs rein,
hat jemand Mist gebaut,
hab mich dreieinhalb Stunden oder so durch fast dreihundert davon gekämpft.
Mit Korrektur schon bearbeiteter HITs kann man zwar nicht das große Geld machen,
hilft aber definitiv,
die HIT-Ziele zu erreichen,
denke,
das wars wert,
meine Worker-ID jetzt fett auf dem Monitor.

Bin ziemlich groggy,
Kaffee wird nichts nützen,
zu aufgeregt,
um müde zu sein.
Die 2000 HITs tauchen seit Wochen oben auf dem Monitor auf,
heißt,
das sei der erste echte Meilenstein,
um in der Qualifikation weiterzukommen.
Wenn du gute Arbeit abgeliefert hast,
viele Stunden investiert hast,
wenn du ihnen gezeigt hast,
dass du lieferst,
und zwar durchgehend,
geht deine Qualifikation auf jeden Fall ne Stufe hoch,
kanns kaum erwarten,
kein Scheiß,
sofort nach dem Einloggen und Laden des Marktplatzes sehe ich den Unterschied,
viele besser bezahlte Jobs,
muss mich dafür nicht mehr qualifizieren,
das kleine Symbol ist verschwunden,

Ready to Accept & Work.

Sieh mal an,
dieser Job hier bringt fastn Dollar.

Einer im Forum hat mir erzählt,
dass jemand,
den der kennt,
vor kurzem zum Master Worker befördert wurde.
Den Titel bekommst du nicht ohne Grund.
Hab irgendwie immer dran gezweifelt,
dass es das überhaupt gibt.
Zu hören,
dass ihn tatsächlich jemand bekommen hat?
Hab beschlossen,
mich kompromisslos auf die Arbeit zu konzentrieren,
seitdem arbeite ich so hart,
wie ich kann.
HIT-Ziel am oberen Monitorrand unerreichbar,
wie es scheint,
selbst von da,
wo ich jetzt steh,
hab schon langen Weg hinter mir.

Bin in irgendsoeinem Video-Editor,
Liste oben rechts zeigt,
dass ich nicht der Einzige bin,
der diese Sache bearbeitet,
Informationsdichte bei bewegten Bildern ist heftig,
soll tatsächlich nur ne begrenzte Art von Daten bearbeiten,
Textbox sagt mir,
alle Verkehrsschilder in der Nähe eines vorn fahrenden Fahrzeugs zu identifizieren,
bin sofort überwältigt,
ertappe mich dabei,
wie ich das Video ständig anhalte und zurückspul,
ist ja nicht so,
dass ich solche Szenarien noch nie gemacht hätte,
aber mit Standbildern ist das ne ganz andere Sache,
kann ich mir Zeit nehmen,
alles nochmal überprüfen,
bevor ich abliefer,
aber hier ist alles wie im Fluge,
links oben zählt ein Timer rückwärts,
die Auftraggeber können anscheinend Zeitlimits setzen.
Wenn ich ne bestimmte Anzahl von Tags nicht in der vorgegebenen Zeit schaffe,
werde ich nicht bezahlt,
steht in den FAQs,
beträchtlicher Bonus allerdings,
wenn ichs darüber hinaus schaffe,
denk an das Geld,
das ich damit machen kann.

Ist aber nur die halbe Wahrheit,
bald verstehe ich,
dass ich nicht der Einzige bin,
der hier Verkehrsschilder beschriftet,
anscheinend auch andere,
die dasselbe machen,
fällt mir auf,
als ich zu einer bestimmten Stelle zurückspul,
um an einer besonders belebten Stelle zu arbeiten,
plötzlich alle Straßenschilder schon beschriftet,
ziemlich schlampig,
würde ich sagen.
Werd mich beeilen müssen.
Wenn ich mit der Maus über die Schilder fahr,
wird die ID angezeigt von dem,
der die Beschriftung gemacht hat,
überall Nummer 3869282,
führt auch die Liste der aktiven Worker in diesem HIT an,
ich dagegen bin ziemlich weit unten,
kein Wunder,
hab den Großteil meiner Bearbeitungszeit auf den Monitor gestarrt und nichts gemacht,
muss mich echt ins Zeug legen,
wenn ich nicht will,
dass meine Bewertung sinkt und ich den Zugang verlier.

Ich fang an,
mich richtig reinzuhängen,
spul nicht mehr so oft zurück,
fast gar nicht mehr,
um ehrlich zu sein,
bisschen schlampig meine Tags,
aber immer noch brauchbar,
ist nicht so,
dass ich mich nicht mehr um die Qualität kümmer,
Timer ist das Problem,
das und die anderen Worker,
die mir die Schilder wegschnappen,
bevor ich sie erledige,
bin unter Druck,
komische Konzentration gerade,
hab das Gefühl,
ich verschmelze mit der Software,
ganze Energie und Aufmerksamkeit auf die Erkennung bestimmter Objekte gerichtet,
alles andere egal,
als ob meine Hand von einer Maschine geführt wird,
von kleinen surrenden Elektromotoren.
Meine Maus schnappt sich die ins Bild laufenden Verkehrszeichen,
fast wien Reflex,
den ich erst versteh,
wenns erledigt ist.

Mit der Zeit verbessert sich meine Bewertung,
kann sogar schon etwas Fortschritt auf mein nächstes HIT-Ziel erkennen,
paar Stunden und meine Hand fängt an zu schmerzen,
ganzer Unterarm,
Schulter auch.

Bin durstig,
muss mindestens vier Stunden an den HITs gesessen haben,
Kopf tut mir weh,
auch das Kribbeln ist wieder da,
jetzt fühlt sichs an,
als ob ein ganzes Heer an Nadeln meine Schädeldecke durchbohrt,
versuchen,
sich den Weg hinein zu bahnen,
oder hinaus,
bin mir nicht ganz sicher,
weiß nur,
dass ich aufhören sollte,
Pause einlegen.

Irgendwie fühlt sich das nicht richtig an,
versuche,
meine Haltung zu korrigieren,
schüttel meine rechte Schulter,
meine Hand,
beschließe durchzuhalten,
vielleicht noch ein oder zwei HITs,
dann kann ich ne Pause einlegen.

Arbeite hart,
nimm dein Schicksal in die eigene Hand,
warte nicht,
mach es selbst,
du kannst es schaffen!
Du kannst reich werden!
Das Einzige,
was dich zurückhält,
ist deine Einstellung.
Schau dir diesen Millionär an zum Beispiel,
der absichtlich obdachlos wurde,
sich von der Straße zu einer Million Dollar hochgearbeitet hat,
in einem Jahr,
Arm sein ist eine eigene Entscheidung!

Will den Ventilator einschalten,
passiert nichts,
ich bestätige den Schalter noch ein paar Mal,
prüf die Steckdose,
geht nicht an,
dreht seinen klobigen Kopf nicht,
hebe ihn von meinem Schreibtisch,
Schmerzen in meiner Hand wieder stärker,
schlimmer geworden in den vergangenen Wochen,
hat sich auf meinen Nacken ausgeweitet,
Nadeln in meinem Schädel jetzt permanent,
wie weißes Rauschen,
ich glaube,
das ist der Schlafentzug.

Bin ziemlich stolz darauf,
mit der Zeit ein Muster herausgefunden zu haben.
Die besten Aufträge kommen sehr spät nachts rein und sehr früh am Morgen,
meistens in Schüben,
in größerer Zahl also,
tagsüber nicht nur weniger HITs,
sondern auch mehr Wettbewerb.
Nachts ist es anders,
fühlt sich härter an,
eins gegen eins,
Kampf ums Taggen,
mein Schlafrhythmus völlig dahin,
aber ich hab mich durchgesetzt,
habs geschafft,
jetzt kann ich mirn neuen Ventilator leisten.

Immer noch ein seltsames Gefühl,
wenn ich eine der Live-Video-Tasks annehme,
ist aufregend,
muss ich schon sagen,
ich weiß,
ich weiß,
ist nur Arbeit,
fühlt sich aber irgendwie gut an,
fühle mich verantwortlich,
habe das Gefühl,
sie trauen mir zu,
dass ich das schaffe,
fühlt sich definitiv wie ein großer Schritt an,
meine Worker ID jetzt in fetten lila Lettern geschrieben,
sieht edel aus,
macht was her,
die gelben Features auf der Website wirken in Farbe viel lebendiger,
als hätten sie nen metallischen Schimmer,
wie Bronze,
Kupfer,
wie Gold.

Rest der Website baut sich langsam auf,
Feed wird angezeigt,
Leiste am unteren Videorand ausgegraut,
stattdessen ein pulsierender roter Punkt,
bin jetzt live!
Scheint sich um Aufnahmen zu handeln,
die von ner MAV-Drohne übertragen werden,
kreist langsam über einem runtergekommenen Wohngebiet,
erinnert mich ein wenig an unserer Viertel,
kann nicht sein …
erschreckt mich total,
schaffe es nicht,
mich an die Arbeit zu machen,
soll die Autos,
die durchs Bild fahren,
markieren und kategorisieren,
Aufgabenbeschreibung oben auf der Anzeige,
mein Laptop kaum in der Lage,
die Daten zu verarbeiten,
spiele kurz mit dem Gedanken,
ihn zu ersetzen,
mir ne richtige Maschine zuzulegen,
wie es im Forum heißt,
mit den neuen Jobs,
die ich bekomme,
kann ich mir bald einen leisten,
einige der Jobs werden ziemlich gut bezahlt,
zwei,
sogar drei Dollar pro Job.

Kreischende Geräusche,
die mein Laptop von sich gibt,
erinnern mich an den Klang von Drohnen,
fürn kurzen Moment fühlt sichs an,
als würde ich vom Bildschirm eingesaugt,
umarmt,
umhüllt von dröhnenden Geräuschen,
verliere jedes Gefühl für die Umgebung,
befinde mich in der Luft,
kreise über den ausufernden,
schmutzigen Gebäuden da unten,
Schwerkraft zerrt an meinen Füßen,
mein Kopf hält mich in der Luft,
kribbelt,
vibriert fast mit einer Frequenz kleiner Elektromotoren,
genau wie die Dinger,
die Drohnenrotoren oder Laptopkühler antreiben.

Verbindung plötzlich unterbrochen.

Du scheinst zu trödeln.
Dein Task wurde beendet.

Steht in einem kleinen,
goldenen Pop-up.
Es haut mich in meinen Bürostuhl,
hat keine richtige Rückenstütze,
sollte mirn neuen Stuhl besorgen.

Dauert ne Weile,
bis das Schwindelgefühl weg ist,
hab ich jedesmal,
wenn ich mich in einen Drohnenfeed einlogge,
so ne Art Dissonanz,
kann ich nicht genau bestimmen,
die Tasks sind eigentlich relativ einfach,
nicht annähernd so mühsam wie die endlosen Umfragen,
Bearbeitung von HITs,
die ich am Anfang gemacht.
Die Software,
die über den Drohnenfeed läuft,
ist recht ausgereift,
ordnet ne Menge Tags selbständig zu,
erkenne einige der Objekte von früheren Beschriftungstasks wieder,
die ich früher gemacht hab,
Menschen auf allerlei Fahrzeugen,
Autos,
Motorräder,
Lieferwagen,
Lastwagen,
Busse und Taxis,
Polizei,
Müllwagen,
aber auch Sachen wie Vegetation,
Bushaltestellen,
sogar andere Drohnen,
die hin und wieder ins Bild rein und raus schweben,
alles bereits markiert,
beschriftet,
gruppiert,
kategorisiert,
meine einzige Aufgabe,
die Genauigkeit anzupassen,
Fehler bei der Beschriftung zu korrigieren,
muss nur manchmal noch was markieren,
das die Software übersehen hat.

Hab das Gefühl,
dass ichs verdient habe,
die Fehlertoleranz ist hier eher gering.
Wenn ein falscher Tag aus dem Frame heraus ist,
ist er weg,
dann setzt die Drohne ihren Weg fort,
egal was passiert,
keine Pause oder Rückspultaste,
um irgendwas rückgängig zu machen,
geht um “Triff oder nicht”,
die Verantwortung spiegelt sich auch in der höheren Bezahlung wider,
ich bins ja auch,
der das Risiko trägt.

Seh da unten ein Auto vor einem Gebäude stehen,
jemand markiert es,
schnappt es mir vor der Nase weg,
war schneller als ich,
ärgert mich,
Drohne verharrt über dem Auto,
Leute stürmen aus dem Haus,
schauen nach oben,
kann ihre Waffen sehen,
was ist …
ich kanns nicht …
jemand markiert die Gesichter,
ein Gesicht ganz besonders,
ich weiß,
wers ist,
weiße Kreuze markieren seine Augen,
hebt die Pistole,
schießt auf die Drohne,
ich kenne das Gesicht,
kenne es gut,
zielt erneut auf die Drohne,
Aufblitzen,
Bild ist weg,
kenne ihn zu gut,
mein Laptop surrt,
das war mein Bruder.

Ich bin kein Roboter.
Ich bin der Geist in der Maschine.